Kreisgebietsreform abgenickt

Sehendes Auges manifestierte die etablierte Landespolitik heute in der Abstimmung zum Kreisstrukturgesetz und Aufgabenzuordnungsgesetz ihre politische Bankrotterklärung. Entgegen einer wahren Flut von Protestschreiben, entgegen einer Vielzahl von Demonstrationen und entgegen massiver Kritik seitens der zahlreichen Sachverständigen ist das größte „Reform“-Vorhaben der CDU-SPD-Regierung im Landtag durchgedrückt worden. Das letzte Wort zur Kreisgebietsreform hat nunmehr das Landesverfassungsgericht, nachdem bereits verschiedene Landräte und Bürgermeister derzeitiger Kreisstädte Klagen angekündigt haben.

Der Gesetzentwurf hierzu ist eine Neuauflage lang gehegter Reformwünsche der jeweiligen Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern. Doch schon einmal entsprachen Richter einer Verfassungsbeschwerde, womit die seit längerem geplante Kreisneueinteilung kurzzeitig gestoppt werden konnte.

Das letzte Wort spricht das Landesverfassungsgericht
 
2007 hatte das Landesverfassungsgericht bekanntlich die Vorgänger-Reform für verfassungswidrig erklärt, Diese war im Jahr zuvor von der rot-roten Landesregierung initiiert worden. Schon 2004 beschlossen SPD und PDS im Regierungskabinett den Entwurf für ein Gesetz zur Verwaltungsmodernisierung, das ein Fünf-Kreise-Modell ohne Kreisfreie Städte vorsah. Im September 2006 reichten elf der zwölf Landkreise und vier der sechs Kreisfreien Städte sowie die CDU-Landtagsfraktion Klage vor dem Landesverfassungsgericht ein. Einer der Hauptkritikpunkte des Verfassungsgerichtsurteils: Durch die Kreisneuordnung entstehen Kreisgebilde, die durch ihre enormen Ausdehnungen schwerlich mit verfassungsgemäßer Bürgernähe vereinbart werden können. Zudem wurden kaum Alternativen abgewogen; auch wurde das öffentliche Gemeinwohl ausgeklammert.
 
Auch der aktuelle Versuch einer Kreisgebietsneuordnung weist erhebliche verfassungsrechtliche Defizite auf. Mit der heutigen Annahme des Gesetzpaketes sollen bis 2011 die derzeit bestehenden zwölf Landkreise aufgelöst und zu sechs Großkreisen zusammengeführt werden. Von den momentan sechs kreisfreien Städten werden zwei – nämlich Rostock und Schwerin – nicht eingekreist. Lediglich beim Namen der künftigen „Monster“-Kreise sollen die betroffenen Bürger per Bürgerentscheid beteiligt werden.

Landtag verstößt gegen eigenes Leitbild

Um den Anforderungen des Landesverfassungsgerichtes gerecht zu werden, wurde vom Landtag ein so genanntes Leitbild (Drs.: 5/1409) auferlegt, welches für die Neuordnung der Kreise zielführend sein sollte. Gegen dieses im Vorfeld verabschiedete Leitbild verstößt die Kreisgebietsreform in nahezu allen Punkten. Unter anderem wurde die Vorgabe aus dem Leitbild, 175.000 Einwohner pro Neukreis zu umfassen, mißachtet. Nur das zukünftige Nordwestmecklenburg liegt mit etwas über 160.000 Einwohner darunter, der Rest liegt deutlich über 200.000 Einwohner. Zudem sollte die im Leitbild festgeschriebene Zielgröße nicht über eine Fläche von 4.000 km² verfügen. Allein die neu zu bildenen Landkreise Südvorpommern und Südwestmecklenburg liegen deutlich über dieser Vorgabe; der neue Kreis Mecklenburgische Seenplatte hätte sogar über 5.000 km² und wäre damit doppelt so groß wie das Bundesland Saarland.

NPD-Fraktion lehnt Kreisgebietsreform entschieden ab
 
Der NPD-Abgeordnete Stefan Köster faßte im Rahmen der fast fünfstündigen Debatte die zentralen Kritikpunkte der nationalen Opposition zusammen: Von der Wahrung der kreislichen Integrität und landsmannschaftlichen Identität könne bei den neuen Kreisgebilden keine Rede sein. Die Triebfeder, Kosteneinsparungen durch Stellenabbau in den Kreisverwaltungen zu erzielen, dürfte mit der Kreisgebietsreform nicht einmal annähernd erreicht werden. Auch sieht die „Reform“ nunmehr vor, daß die Gemeinden Altschulden der aufgelösten Kreise übernehmen sollen. Teile des Volkes, die die Landkreisverwaltung häufig aufsuchen müssen, würden durch weiter entfernte Landratssitze massiv benachteiligt. Eine Vereinbarkeit mit ehrenamtlicher Tätigkeit sei aufgrund erschwerter Erreichbarkeit von Kreistagssitzungen und -ausschüssen aber auch aufgrund fehlender Übersicht über alle Bereiche in einem Großkreis bald nicht mehr möglich.
 
Zudem haben die derzeitigen Kreisstädte mit Dritten über einen längeren Zeitraum Pachtverträge für Landratsämter und Kreisverwaltungen geschlossen (beispielsweise die Stadt Pasewalk bis 2028), die nach Wegfall des Kreissitzes trotzdem erfüllt werden müssen.  Bei Verlust des Kreissitzes befürchten derzeitige Kreisstädte nicht nur einen direkten Verlust von Kaufkraft, sondern auch den Verlust von weichen Standortfaktoren (Prestige, Pendlerströme, Anziehungskraft für Unternehmen, Abbau der Infrastruktur). Stefan Köster führte diesbezüglich weiter aus:



zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 07. Juli 2010