Landgericht Neubrandenburg spricht den NPD-Landtagsabgeordneten Tino Müller frei und rügt dafür die SPD-Landtagspräsidentin Bretschneider

Am 24. April des vergangenen Jahres legte die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg einen Verfolgungseifer an den Tag, als ob es gegolten hätte, Dr. Hannibal Lecter zu fassen. Dabei stand nur eine Lappalie zur Debatte. Tino Müller wurde ein Verstoß gegen das Landespressegesetz vorgeworfen. Er sollte als Redakteur bei zwei Ausgaben eines "periodischen Druckwerkes", des "Uecker-Randower Boten", tätig gewesen sein, obwohl dies, Landtagsabgeordneten verboten ist und sogar eine Straftat darstellt.

Um dieses vermutete Superverbrechen aufzuklären, fand eine Razzia in seinem Wohnhaus und seinem Bürgerbüro statt. Nach einer blitzartig anberaumten Sondersitzung des Rechtsausschusses wurde die am gleichen Tage statt findende Landtagssitzung mitten in einer Rede des Landwirtschaftsministers Backhaus unterbrochen, damit man die Immunität Müllers aufheben konnte. Das Ganze natürlich mit maximaler Medienbegleitung und bundesweitem Pressecho. So viel Eifer würde man sich bei der Jagd auf Kinderschänder wünschen. Die Bestie, die vor 9 Monaten ein zwölfjähriges Mädchen bei Jarmen vergewaltigte, ist immer noch nicht gefaßt.

Heute wurde Tino Müller vom Landgericht Neubrandenburg frei gesprochen. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft brachen in sich zusammen. Ein gigantischer Ermittlungsaufwand für nichts, und wieder ein Rückschlag für das dauerhafte Bestreben, die NPD in den Augen der Öffentlichkeit zu kriminalisieren.

Dafür nutzte der Vorsitzende der Strafkammer die Gelegenheit, ein paar Worte zu einem Schreiben zu verlieren, das, von der SPD-Landtagspräsidentin Bretschneider unterzeichnet, im August 2013 allen Abgeordneten zugestellt worden war.
 
In dieser Handreichung hieß es unter anderem: "Nach derzeitiger Rechtslage ist zu empfehlen, dass Mandatsträger die Funktion des Impressars Dritten übertragen, die keinen Immunitätsschutz genießen. Das Impressum bestehender Angebote sollte ggf. an die Rechtslage angepaßt werden. Bei der Herausgabe von Druckerzeugnissen oder Internetangeboten können beispielsweise Pressesprecher im Angestelltenverhältnis oder Wahlkreismitarbeiter für die Funktion des verantwortlichen Redakteurs in Frage kommen".
 
Dieser Text, so der Kammervorsitzende sinngemäß, stelle eine Aufforderung dazu dar, das Landespressegesetz zu unterlaufen, und sei zumindest "bedenklich".
 
In der Tat kann diese Empfehlung als Ermunterung von Landtagsabgeordneten dazu verstanden werden, sich Verantwortungskulis zu suchen, Minenhunde sozusagen, die als Scheinredakteure alle straf- und zivilrechtlichen Risiken  für Inhalte tragen, die nicht sie bestimmen, sondern ihre Vorgesetzten, die Mitglieder des Landtages.
 
Dabei ist die Rechtslage glasklar. Die Autoren des Landtagsschreibens, wohl Mitarbeiter des parlamentarischen juristischen Dienstes, hätten nur einen Blick in den maßgeblichen presserechtlichen Kommentar werfen müssen. Die Lektüre ergibt: Redakteur ist der, der den Inhalt des Druckwerks oder der Internetseite tatsächlich bestimmt. Das Impressum ist zweitrangig. Was im Gegensatz dazu in dem Schreiben des Landtags als gangbarer Weg empfohlen wurde, ist mit "bedenklich" noch sehr freundlich ausgedrückt. Das Landespressegesetz, so der Kommentar, will die Unsitte der Schein- oder Sitzredakteure aus dem Pressewesen ausmerzen, "da sonst die strafrechtliche Belangbarkeit der in Wahrheit Verantwortlichen zur Farce werde. Den "Sitzredakteur" habe man schon früher mit Recht kritisiert als den "Kuli", den sich ein Herausgeber engagiere, damit dieser gegebenenfalls die verdiente Strafe für andere absitze." ( Löffler, Presserecht, 5.Auflage, München 2006, § 9,20).
 
Und genau das wird, den Abgeordneten, so hat es jedenfalls der Kammervorsitzende aufgefaßt, in einem offiziellen Schreiben der Landtagspräsidenten auch noch nahe gelegt!
 
Sie sollten lediglich das Impressum "anpassen", indem sie etwa ihre Wahlkreismitarbeiter in diesem als verantwortliche Redakteure auftauchen ließen. Kein Wort davon, daß die Wahlkreismitarbeiter dann natürlich auch die Inhalte bestimmen müßten, und nicht etwa die Landtagsmitglieder! Das ist zumindest grob irreführend und könnte bei Abgeordneten zur Strafbarkeit führen und vielleicht auch schon geführt haben.
 
Der Kammervorsitzende kündigte an, dem Urteil das fragliche Schreiben beifügen zu wollen, und forderte den Vertreter der Staatsanwaltschaft dazu auf, damit zu machen, was dann zu machen sei. Dies durfte als Hinweis verstanden werden, daß über eine mögliche strafrechtliche Relevanz des Landtagstextes nachzudenken sei.

Was bleibt, ist eine Rechtslage, die Abgeordneten ihre Arbeit in völlig sinnloser Weise erschwert. Sie dürfen weder Internetseiten noch Druckwerke inhaltlich gestalten, in denen sie regelmäßig über ihre politische Arbeit berichten. Lange Zeit hat sich niemand um das entsprechende Gesetz gekümmert, das der Kammervorsitzende mit Recht eine "Exotennorm" nannte. Man grub sie aus, um der NPD am Zeug zu flicken. Das fällt jetzt auf die Etablierten zurück.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 05. Juni 2014