Gustav Heinemann doch Mitglied in NS-Organisationen!

Staatsanwälte, SPD und NDR rieben sich schon die Hände. Eine weitere Verurteilung Udo Pastörs` schien greifbar nahe zu sein. Der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Landtag sollte nämlich in einer Landtagsrede den verstorbenen SPD-Bundespräsidenten Gustav Heinemann verunglimpft haben, indem er diesem großen Widerstandskämpfer gegen das Dritte Reich eine NSDAP-Mitgliedschaft unterstellt hätte. Wo freie historische Forschung nicht verboten ist, kann es aber immer wieder Überraschungen geben. In einer neueren Heinemann-Biographie, die dem zuständigen Staatsanwalt wohl unbekannt ist, wird zwar bestätigt, daß Heinemann nicht der NSDAP angehörte. Dafür war er aber Mitglied in der NSV und im NSRB!
 
Wem das nichts sagt: Unter dem NSV verstand man die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt. Noch in der so genannten "Kampfzeit" als eingetragener Verein gegründet, stieg der Verband nach der Machtergreifung zur offiziellen Parteiorganisation auf. Zu seinen Aufgabenfeldern gehörte im Krieg die Kinderlandverschickung. Auch Kindergärten betrieb die NSV. Deren Motto lautete: „Händchen falten, Köpfchen senken - immer an den Führer denken! Er gibt euch euer täglich Brot und rettet euch aus aller Not". Die Mitglieder, unter ihnen auch Widerstandskämpfer Heinemann, erhielten jeden Monat die Zeitschrift "Nationalsozialistischer Volksdienst" zugeschickt. Das Abzeichen der Organisation ähnelte stark dem Hakenkreuz.
 
Damit ließ es Heinemann aber nicht genug sein. Als studierter Jurist war er außerdem noch Mitglied im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, in welchem das Dritte Reich die Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Notare und Juraprofessoren zusammenfaßte. Neben Heinemann gehörten auch Hans Frank und Roland Freisler zu dieser Vereinigung. Freisler, Frank, Heinemann - alle drei in ein und derselben NS-Organisation!
 
Zitieren wir ein wenig aus der Biographie, die 2009 im Verlag Ferdinand Schöningh erschien und deren Verfasser, Dr.Jörg Treffke, kein böser Nationalist ist, sondern statt dessen beim Brandenburger Landesverfassungsschutz arbeitet. Systemtreuer geht es ja wohl kaum noch.
 
Er schreibt: „Wo es nötig erschien, kooperierte Heinemann mit dem Regime, war zu Zugeständnissen bereit, wurde Mitglied in NS-Organisationen. Heinemann verhielt sich absolut loyal gegenüber der Regierung und paßte sich den neuen politischen Gegebenheiten durchaus geschickt an. Kritik an der Innen- oder Außenpolitik des Hitler-Staates enthielt er sich." ( Seiten 83,84).
 
Weiter führt Dr.Treffke aus: „In seinem Lebenslauf für die alliierten Besatzungsbehörden verschweigt Heinemann seine Mitgliedschaft in diesen NS-Organisationen. „Der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen habe ich nicht angehört", Heinemanns Lebenslauf v. 23.Januar 1946, AdsD, NL Heinemann, Teil II, 028. Sowohl die NSV als auch der NSRB waren jedoch der Partei angeschlossene Verbände." ( Seite 272, Fußnote 158).
 
Der zuständigen Staatsanwaltschaft sei empfohlen, sich in Unkosten zu stürzen und für 19,90 Euro das Buch anzuschaffen. Sodann sollte sie  überlegen, ob man eine Person, die als Akademiker dem elitären NS-Rechtswahrerbund angehörte und daher legitimerweise in einem Atemzug mit den weiteren Mitgliedern Hans Frank und Roland Freisler genannt werden darf, wirklich durch die Behauptung verunglimpfen kann, sie sei auch in der NSDAP gewesen. Die meisten Parteigenossen waren kleine Lichter ohne Anteil an der Staatsmacht. Das sah beim NS-Rechtswahrerbund schon anders aus. Wer hier aufgenommen wurde, benötigte kein Parteibuch, er war auch so auf der Führungsebene der nationalsozialistischen Gesellschaft angekommen. Daß Heinemann seine Vergangenheit frisierte, spricht auch nicht gerade für eine Heiligsprechung.
 
Eine Einstellung des Verfahrens wäre angebracht und auch im Sinne der Familie Heinemann. Niemandem ist damit gedient, wenn die wahre Vergangenheit des ehemaligen Bundespräsidenten lang und breit in einer öffentlichen Verhandlung erörtert werden müßte.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 04. Oktober 2012